Die Situation afghanischer Frauen



Überblick:

An Afghan girl after all her family were killed Für die letzten beiden Jahrzehnte gibt es keine glaubwürdigen demographischen Statistiken von Afghanistan. Von den geschätzten 16 Millionen Afghanen Ende der siebziger Jahre wurden mehr als zwei Millionen in dem Widerstandskampf gegen die sowjetischen Besatzer und später im Bürgerkrieg umgebracht, der durch die fundamentalistischen Gruppierungen mit Hilfe ausländischer Kräfte entfesselt wurde. Eine weitere anderthalb Million Menschen wurde im Krieg durch radioaktiven Niederschlag verstümmelt und fünf Millionen mussten in Flüchtlingslager nach Iran und Pakistan flüchten. Die Mehrheit der im Land verbliebenen Bevölkerung wurde in Folge des in zwanzig Jahren nicht enden wollenden Krieges, insbesondere aber in den letzten acht Jahren fundamentalistischer Kämpfe, intern umgesiedelt. In den besten Zeiten lag die allgemeine Alphabetisierungsrate bei Männern unter 20 Prozent und bei Frauen unter 5 Prozent. (Diese Zahlen werden von einigen als sehr optimistisch angesehen). Vor einem solchen Hintergrund geriet das Land 1992 in die Hände der Fundamentalisten, was als Tragödie im Hinblick der Frauenrechte betrachtet werden muss.

Islamischer Fundamentalismus sieht allgemein Frauen als Untermenschen an, die nur für die Sklaverei im Haushalt und für die Fortpflanzung dienen. Solch unerhörte Ansicht wurde mit der Machtübernahme der ignoranten Taliban, die 90% von Afghanistan einschließlich der Hauptstadt Kabul kontrollieren, in den Status offizieller Politik erhoben. Nicht nur Jehadis und Taliban, sondern alle Islamisten (Befürworter eines islamischen politischen Systems) setzen sich Frauenrechte als erste Priorität und beziehen sich dabei auf die mittelalterliche Sharia (Islamisches Recht) als ihre Autorität.

Mit der Machtübernahme der islamischen Fundamentalisten im Jahre 1992, wurden die Frauenrechte auf volle Beteiligung am sozialen, ökonomischen, kulturellen und politischen Leben des Landes drastisch gekürzt und danach vollkommen negiert durch die Taliban. Unter den Letzteren (die heutzutage die vorherrschende politische Macht in Afghanistan darstellt) werden Frauen vollständig das Recht auf Bildung (alle Mädchenschulen wurden geschlossen), das Recht auf Arbeit (alle Frauen wurden gezwungen, in ihren Häusern zu bleiben, den Arbeitgebern wurde unter Androhung schwerer Strafen untersagt, Frauen zu beschäftigen), das Recht auf Reisen (keine Frau kann allein und ohne die vorgeschriebene Begleitung durch einen männlichen Angehörigen ihrer engsten Familie ihr Haus verlassen), das Recht auf Gesundheit (keine Frau kann einen männlichen Arzt aufsuchen, Familienplanung ist verboten, Frauen können nicht operiert werden, wenn ein Mitglied des Chirurgieteams männlich ist), das Recht auf Rechtsbeistand (eine Zeugenaussage e iner Frau gilt die Hälfte der Aussage eines Mannes; eine Frau kann nicht direkt einen Antrag an das Gericht stellen, sondern nur durch einen vorgeschriebenen männlichen Familienangehörigen aus dem engsten Familienkreis), das Recht auf Erholung (alle Erholungs- und Sportmöglichkeiten für Frauen wurden verboten, Sängerinnen dürfen nicht singen, da ihre weiblichen Stimmen die Männer verderben, etc.), und das Recht auf Menschsein abgesprochen (Sie können ihre Gesichter nicht in der Öffentlichkeit vor Fremden zeigen, sie können keine farbenfrohen Kleider tragen, kein Make-up benutzen, sie können sich nicht außerhalb ihres Hauses aufhalten, ohne von Kopf bis Fuss in einen formlosen Sack, Burka genannt, eingehüllt zu sein, sie können keine Schuhe mit Geräusch verursachenden Absätzen tragen [sogar das klappernde Geräusch ihrer Schritte verderben die Männer], sie können nicht in privaten Fahrzeugen mit männlichen Passagieren reisen, sie haben nicht die Erlaubnis, ihre Stimme zu erheben, wenn sie in der Öffentlichkeit sprechen, sie dürfen nicht laut lachen, das dies Männer ins Verderben lockt, etc. etc.).

Diese unglaubliche Liste könnte noch weiter und weiter geführt werden, aber sie stellt noch nicht die ganze Tragödie dar, von der die bessere Hälfte der afghanischen Gesellschaft verschlungen wurde. Frauen werden als eine Kriegsbeute angesehen, ihre Körper sind ein anderer Kriegsschauplatz für die Kriegsteilnehmer Die Untaten von Bosnien bleiben blass im Vergleich mit den Verbrechen in Afghanistan, aber unglücklicherweise aus Gründen, die in diesem Zusammenhang nicht eingehender behandelt werden können, hört die Weltgemeinschaft weg und kümmert sich nicht darum, was in Afghanistan geschieht.

Das Schlagen von Frauen aus disziplinarischen Gründen bei geringsten Anlässen (das Tragen von farbenfrohen Schuhen oder dünnen Strümpfen, das Zeigen von Fussgelenken beim Gehen, das Erheben der Stimme beim Sprechen, das Geräusch ihres Lachens erreicht das Ohr fremder Männer, das Klicken ihrer Absätze beim Gehen, etc.) ist ein alltägliches Phänomen in Afghanistan unter der Herrschaft der Taliban. Mit den öffentlichen Auspeitschungen (welcher oft mit dem Tod oder der Behinderung der Opfer enden) haben die Taliban die zivile Bevölkerung eingeschüchtert und zur Unterordnung gezwungen. Entsprechend der Kriegsmentalität der Fundamentalisten, entfacht durch ethnischen Hass und religiöse Selbstgerechtigkeit, wurden alle Gebiete, die unter ihre Kontrolle geraten, als okkupiertes Land angesehen und die Einwohner entsprechend behandelt. Sexualverbrechen gegen Frauen, Gruppenvergewaltigung, Lustmorde, Entführungen junger Frauen, Erpressung von Familien mit heiratsfähigen Töchtern, etc. waren Alltag während der Herrschaft der vor-talibanischen Fundamentalisten, die nun abermals Schlüsselfunktionen bei der Regierung Hamid Karzai innehaben und alle Freiheit haben, in den, von ihnen unterworfenen Gegenden Afghanische Frauen zu brutalisieren.

Die Taliban machten anfangs eine Pietätenschau und verabscheuten Sexualverbrechen gegen Frauen, aber die Berichte über ihre Verderbtheit werden mit jedem Tag länger. Damit, wie mit anderen Scheußlichkeiten, haben sie ihre fundamentalistischen Brüder noch übertroffen. In Verbindung mit Gewalt gegen Frauen in ihrer Obhut, Dokumentation von sexueller Gewalt gegen Frauen während der Konfliktzeiten und Gewalt gegen Flüchtlinge und intern umgesiedelte Frauen möchten wir zuerst und vorderst auf die Berichte von Amnesty International wie beispielsweise WOMEN IN AFGHANISTAN: A human rights catastrophe (March 1995) oder "AFGHANISTAN: International responsibility for human rights disaster", (November 1995), als ein aussagekräftiges Zeugnis der Situation der Frauen unter den Fundamentalisten. Weitere Dokumente dieser Art sind auf den Webseiten von Amnesty International und von Human Rights Watch zu finden. Neben dem obenstehenden Bericht fügen wir eine Reihe von Augenzeugenberichten über die letzten Greueltaten der Taliban, die derzeit den größten Teil Afghanistans beherrschen und de facto seine Regierung stellen.

Nach der Tragödie des 9. September, als die US am 7.Oktober 2001 mit der Bombardierung Afghanistans begann, wurde die Unterdrückung der Afghanischen Frauen als Rechtfertigung für den notwendigen Sturz des Taliban Regime angegeben. 5 Wochen später verkündigte Präsidentenehefrau Laura Bush triumphierend: „ Aufgrund unserer neuesten militärischen Erfolge in fast ganz Afghanistan sind Frauen nicht mehr länger Gefangene in ihren Häusern. Der Kampf gegen den Terrorismus ist auch der Kampf für die Rechte und die Würde der Frauen.“

Doch unglücklicherweise zeichnet die Realität ein anderes Bild. Die Menschen der ganzen Welt sollten wissen, dass trotz des offiziellen Endes der abscheulichen, repressiven und lächerlichen Herrschaft der Taliban in unserem vom Unglück verfolgten Lande, dies jedoch nicht das Ende der schrecklichen Leiden unserer gepeinigten Frauen bedeutet. Denn entgegen dem hoffnungsvollen Streben unseres Volkes und den Erwartungen der Weltgemeinschaft, sind die Nordallianz – in brüderlicher Glaubensgemeinschaft mit den Taliban und Al-Qaida verbunden – abermals an der Macht und werden generös durch die USA unterstützt. Ja, dies hat den Traum unseres verwundeten Volkes nach Befreiung von den schweren Ketten der Taliban Tyrannei völlig zerschlagen, denn die Nordallianz ist nichts anderes als eine zerbrechliche Koalition von (mit den Worten des Sonderbeauftragten der UN) „einer Anzahl von Banden“ mit einer langen Liste von Verbrechen und Brutalitäten gegen unsere Bevölkerung.

Die Menschen Afghanistans werden ihnen niemals diese Verbrechen vergeben, die sie gemeinsam mit der sogenannten älteren Generation der Allianz, wie Dostum, Khalili, Sayyaf, Rabbani, Glubuddin etc. während ihrer Herrschaft von 1992-1996 begangen haben. In Kabul allein wurden 65,000 Menschen in dieser blutigen Zeit ermordet.

Die Führer der Nordallianz unterscheiden sich ideologisch in keiner Weise von den Taliban. Einige von ihnen mögen zwar von „Wahlen“ und „Frauenrechten „ sprechen, doch in der Realität sind sie ebenso frauenfeindlich wie die Taliban.

Der Krieg in Afghanistan hat die Taliban entfernt, was bislang Verbesserungen für Frauen in einigen wenigen Teilen des Landes mit sich gebracht hat. In anderen Gegenden mehren sich jedoch abermals Vorfälle wie Vergewaltigung und erzwungene Ehen und die Mehrheit der Frauen trägt weiterhin die Burqa aus Angst um ihre Sicherheit. Das Ausmaß an täglicher Gewalt in Afghanistan ist etwas was man sich kaum vorzustellen kann.

„Der Krieg dem Terrorismus“ had die Taliban beseitigt, doch es hat nicht die religiösen Fundamentalisten beseitigt, die der Hauptgrund all unseres Elendes sind. Wir, RAWA, sind der Ansicht, dass es einen vollkommen anderen Ansatz verlangt um diese Übel zu beseitigen. Indem die US den Bandenbossen zur Macht in Afghanistan verholfen haben, haben sie letztendlich lediglich ein fundamentalistisches Regime durch ein anderes ersetzt.

Karzai hat alle Verbrecher um sich herum vereint, unter ihnen sogar einige der höchsten Talibanführer wie Mullah Ghaus, Hamim Mujahid (Taliban sprecher der nur Monate vor dem 9.September auf US tour war), Wakil Ahmad Motawakal ( Taliban Aussenminister), Mullah Zaheef (Taliban Botschafter in Pakistan), Mullah Hotaki, Mullah Arsala und weitere. Ihnen verzieh Karzai nicht nur sondern er erlaubte ihnen auch, sich in Kabul beruflich niederzulassen. Anstatt wegen ihrem Verbrechen vor dem Gerichtshof zu erscheinen, erscheinen diese verbrecherischen und frauenfeindlichen Elemente als „moderate Taliban“ erneut auf der politischen Bühne weil es die US Politik in Afghanistan so verlangt. Dies ist in der Tat unverzeihbar und muss als verräterisches Abkommen gegen unsere Nation und insbesondere unsere gepeinigten Frauen gewertet werden.

Die Tatsache, dass Taliban- ähnliche Verordnungen gegen unsere Frauen nach wie vor bestehen ist auf die Abmachungen der Karzai Regierung und ihrer US Herren mit den terroristischen Bandenchefs zurückzuführen. So wurde am 23. April 2005 die 29jährige Amina, einer Entscheidung des Bezirksgerichtes in der nördlichen Provinz Badakhshan zufolge, öffentlich zu Tode gesteinigt, weil sie des Ehebruches beschuldigt wurde.

Wo immer es Fundamentalisten gibt, wird es Feindseligkeit gegen Frauen geben und RAWA´s Kampf für die Rechte der Frauen wird weitergehen. Abgesehen von den Verbrechen der Fundamentalisten gegen Frauen, sind es aber auch die alten Traditionen, welche Frauen unterdrücken und denen zufolge Frauen als das zweite Geschlecht gelten. Aus diesem Grund ist RAWA´s Einsatz für Frauenrechte noch lange nicht vorbei und wir müssen hart um die Frauenrechte in Afghanistan kämpfen. Wir brauchen dringend die Solidarität und Unterstützung aller Menschen weltweit.



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Einige der Einschränkungen, die den Frauen durch die Taliban aufgezwungen wurden



Zarmeena is being excuted by Taliban
Hinrichtung einer Frau

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Frauen waren die ersten leichten Opfer der Jehadi und der Taliban-Verräter, es ist ihre Pflicht, auch der erste Dolch im Herz der Fundamentalisten zu sein!